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Thema Gesundheit

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Ein Mensch mit kognitiven Beeinträchtigungen ist per se nicht als Kranker zu verstehen, er ist nur „anders“ - selbst wenn seine Beeinträchtigung durch eine Krankheit hervorgerufen wurde.

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Werden aber Menschen besonders mit kognitiven oder mehrfachen Beeinträchtigungen krank, so sind ihr Umfeld, speziell aber Ärzte und ggf. Pflegekräfte ganz besonders gefordert. Sowohl die Erstellung einer Diagnose als auch eine Behandlung bedürfen meist zeitlich und personell eines erheblichen Mehraufwandes im Vergleich zu Menschen ohne Beeinträchtigungen. Wegen der mangelnden Einsicht wird der ungewohnte Zustand durch den beeinträchtigten Kranken unter Umständen rasch als bedrohlich empfunden. Das kann zu Aggressionen, Angstzuständen, ja Psychosen führen und - sollte gar ein Krankenhausaufenthalt notwendig werden - auch zu Fluchtreflexen.

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Insbesondere im akuten Notfall, ist eine Einweisung dieser Menschen in möglichst nahe gelegene örtliche Krankenhäuser unumgänglich. Das stellt die beeinträchtigten Patienten, ebenso wie das medizinische aber auch das Verwaltungs-Personal, dort vor erhebliche Probleme. Vom Aufnahmeprozedere an, ist ein besonders einfühlsamer und rücksichtsvoller Umgang mit diesen besonderen Patienten notwendig, um Ängste ab- und Vertrauen aufzubauen. Die oft schwierige Kommunikation und fehlende Einsicht fordern vor allem Geduld und Zeit, was Patienten, Ärzte, Pflegepersonal und Strukturen in "normalen" Krankenhäusern häufig überfordert.

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Mangels anderer, besserer Möglichkeiten oder auch nur besseren Wissens begegnet man dem - oft leider selbst ohne triftig gegebenem Anlass, reflexartig - mit medikamentösen oder mechanischen freiheitsentziehenden Maßnahmen (Sedierung oder Fixierung, §1906 BGB) auch ohne die notwendige, ggf. nachträgliche betreuungsrichterliche Zustimmung einzuholen. Aber auch unabhängig von dieser formalen Genehmigung, die oft situationsbedingt nolens volens gegeben wird, stellt die im Grunde vermeidbare Zwangsmaßnahme eine erhebliche Verletzung der Menschenwürde der Betroffenen dar, schafft also zumindest den Anfangsverdacht für einen Strafbestand. Selbst der Gesetzgeber nimmt sie aber leider bisher billigend in Kauf. Alle Vorstöße und Petitionen seit weit über 10 Jahren zur Anerkennung des Anspruchs auf besondere Assistenz solcher Patienten in diesen Ausnahmesituationen blieben bislang wirkungslos (Assistenzpflege-Gesetzes downloaden; s.a. vorausgegangene Stellungnahme der Fachverbände downloaden zu diesem Thema).

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Weder die Einrichtungen - im Falle dort lebender Betroffener - noch die Krankenhäuser sind angesichts der allgemeinen Sparzwänge in der Lage, das für diese besondere Assistenz notwendige Personal zu stellen. Aber selbst nächste Angehörige erwachsener beeinträchtigter Menschen (sofern es sie - noch - gibt) können und dürfen nicht gezwungen werden, hierfür jederzeit bereit zu stehen.

 

Es ist sehr zu begrüßen, dass in der gesamten Bundesrepublik zunehmend "Medizinische Zentren für Erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen" (MZEB, nach §119c SGB V) eingerichtet werden (siehe auch BAG MZEB). Neben der Durchführung einer spezifischen Diagnostik und Therapie organisieren und steuern sie zunehmend besser ambulante fachärztliche Leistungen. Die bisher erreichte Qualität bedarf noch der Reflexion durch die Behandelten.

Die wichtigsten Forderungen zum Gesundheitswesen

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  • Barrierefreiheit auch in der Gesundheitsversorgung mit Leben erfüllen. Alle Hindernisse für beeinträchtigte Menschen sind gemäß UN-BRK zu beseitigen, sie können je nach Art der Beeinträchtigung sehr unterschiedlich sein.

  • Die Assistenz durch Begleitpersonen im Krankenhaus und bei Arztbesuchen für alle, insbesondere für kognitiv und mehrfach Beeinträchtigte - nicht nur nach dem "Arbeitgebermodell" - muss ggf. auch für 24 Std. am Tag räumlich und finanziell sichergestellt sein (Öffnung des Assistenzpflege-Gesetzes! hier downloaden).

  • Außer in akuten Notfällen müssen Ärzte zwingend die rechtlichen Betreuer mit "Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge" vor Medikationen und/oder Eingriffen informieren. Dazu gehört die gesamte Palette der medizinischen Aufklärung eines Patienten. Der rechtliche Betreuer muss entscheiden, ggf. mit Zustimmung des Betreuungsgerichts. (Eltern/Angehörige Erwachsener ohne entspr. Betreuung dürfen von Ärzten allenfalls mit ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen informiert werden!)

  • Aus- und Weiterbildung: Sowohl im Medizinstudium als auch in der Ausbildung von Pflegekräften ist der besondere Umgang mit kognitiv beeinträchtigten Patienten zwingend als Lehrinhalt aufzunehmen. Dieses muss auch Thema der Weiterbildung von Ärzten und Pflegekräften sein. Jedes Krankenhaus sollte zwingend eine ausreichende Zahl hierfür sachverständiger Mitarbeiter beschäftigen, aber auch bei den Krankenkassen sollten derart aus- und fortgebildete Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

  • Alle MZEB müssen über ein gemeinsames Internet-Portal zentral auffindbar sein. Alle sollten eine umfassende Diagnostik anbieten und auch ihre zusätzlichen Spezialisierungen angeben. Als selbstverständlich ist zu erwarten, dass sie intensiv miteinander kooperieren. Einrichtungsübergreifende Konsilien sollten in Zeiten moderner Kommunikationsmöglichkeiten unproblematisch sein.

  • Erst die fachliche Begleitung in allen Gesundheitseinrichtungen, eingebettet in ein geeignetes Aufnahme- und Entlass-Management, sowie die Koordination aller beteiligter Stellen (Ärzte, Verwaltung, Kasse, individuelle Assistenz) durch einen Behandlungsbeauftragten, kann für die erkrankten kognitiv Beeinträchtigten eine erfolgreiche Behandlung und Therapie sicherstellen; erforderliche Reha-Maßnahmen sind zwingend mit einzubinden.

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Psychiatrie

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Das Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG) vom 24. Juli 2018 hat während seiner Entstehung zu vielen kritischen Diskussionen Anlass gegeben. Hier ist Wachsamkeit auch in anderen Bundesländern geboten.

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Die Psychotherapie-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) lässt hoffen, dass sich auch in den Krankenhäusern/Psychiatrien etwas ändert. Die Richtlinie bildet die Grundlage für die Durchführung von Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung,

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  • wenn der Behandlungsbedarf besser abgeklärt wird

  • wenn denn die Therapeuten zur Verfügung stehen.

  • wenn Bezugspersonen einbezogen werde können. Bezugspersonen dürfen bei kognitiv Beeinträchtigten hinzugezogen werden.

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