top of page

Nationaler Normenkontrollrat (NRK) zum geplanten Betreuungsrecht

Betrachtungen zu einem Teilaspekt aus der Sicht eines ehrenamtlichen Betreuers.

 

Der Normenkontrollrat hat in seinen Ausführungen vom 14. September 2020 eine Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts abgegeben (NKR-Stellungnahme Nr. 5345). Besonders hervorzuheben sind die Änderungen bei Informationspflichten. Hier soll ein Versuch gemacht werden die Zahlen einer Würdigung zu unterziehen. Ziel sollte sein, die Zeitbilanz für den ehrenamtlich Betreuenden herauszufinden, da die Zeit und nicht das Geld der treibende Faktor für die Betreuung ist.

 

Untersucht wird vom NRK der einmalige und laufend zu erwartetende Erfüllungsaufwand. Für die 104.000 ehrenamtlichen Betreuern wird durch die neue Informationspflicht jährlich jeweils eine Stunde Mehrarbeit geschätzt. Zusätzlich fallen noch ca. 11 Minuten für die Beantwortung von Auskünften an. Der NKR geht von einem Stundenlohn von 25 Euro für den ehrenamtlich Betreuer aus. In Euro gerechneter Aufwand 104.000x25 Euro = 2,6 Mio. plus 0,47 Mio. Die Mehrarbeit pro Betreuer beträgt folglich ca. 1 Stunde und 11 Minuten für die Informationspflicht.

 

Durch die künftig entfallende Schlussrechnung – die 104.000 ehrenamtliche Betreuer betreuen 117.000 Verfahren mit je 2 Stunden – entfallen 234.000 Stunden und ca. 15 Minuten/Antrag, also ca. 263.000 Stunden oder rd. 6,6 Mio. Euro. Die Ersparnis beträgt also ca. 2,5 Stunden pro Person und Jahr. Und ob der Wegfall der Schlussrechnung sinnvoll ist bleibt noch dahingestellt.

 

Die Bilanz ist hier eine Ersparnis von ca. 1 Stunde und 20 Minuten pro Jahr für den ehrenamtlich Betreuenden.

 

Die 16.000 Berufsbetreuer mit einem Stundensatz von z.Zt. durchschnittlich 47,39 sollen hier nicht betrachtet werden, ebenso wenig wie weitere Sorgeangelegenheiten, wie Vormundschaft, Pflege u.a.m. werden nicht betrachtet.

 

Ein gewichtiger Punkt für die Ermittlung des persönlichen zeitlichen Aufwandes, den ein ehrenamtlicher Betreuer zur gewissenhaften Erfüllung der übertragenen Aufgaben aufzubringen hat, wurde glatt „vergessen“.

 

Bereits in der vom BMVJ in Auftrag gegebenen Studie zur Untersuchung der Qualität in der rechtlichen Betreuung wurde nicht auf den erheblichen Aufwand eingegangen, den alle rechtlich Betreuende betreiben müssen. In der mit statistischen Zahlen reichlich versehenen Studie kommt man zu der Erkenntnis, dass der Aufwand für die laufend erforderliche Fortbildung durch neue Gesetze und Verordnungen nahezu unberücksichtigt geblieben ist.

 

Ehrenamtlich Betreuende sind i.d.R. keine Juristen und deshalb fällt es ihnen schwer Gesetze und Verwaltungstexte - die noch dazu nicht in „einfacher Sprache“, oder besser verständlicher Sprache verfasst sind – vollumfänglich zu erfassen; sie kennen in der Regel auch nicht die Kommentare, die die Gesetze und Verordnungen i.d.R. auch für Profis erst "korrekt auslegen".

 

Um sich die mögliche Dimension dieses zeitlichen Aufwandes vorstellen zu können, ein Verweis auf eine Auswahl von Gesetzen, sie es immer gilt, immer im Auge zu behalten: UN-BRK, BGB, die SGB von I bis XII (BTHG), BGG, SGG, PSG II, PSG III, WoGG, u.a.m. Wahrscheinlich werden die meisten nicht einmal diese wichtigen Gesetze zumindest teilweise angeschaut haben, geschweige denn alle daraus erlassenen Verwaltungsverordnungen oder Kommentare.

 

Alleine eine Abschätzung dieses Aufwandes ist hier nicht realistisch zu beziffern. Sie wird im Minimum pro Jahr in Wochen zu messen sein. Bei dem in den Ausführungen des NRK zu Grunde gelegten Stundensatz von 25 Euro käme ein erheblicher Betrag zusammen.

Im Übrigen bedeutet rechtliche Betreuung, dass Bescheide zu kontrollieren sind. Im Fall des Wohngeldbescheides für meinen zu Betreuenden, um nur ein Beispiel zu nennen, habe ich nach einer Stunde des Bemühens aufgegeben. Aus dem WoGG sind die anrechenbaren Heimkosten - hier wird immer noch von „Heim“ gesprochen – nicht selbstständig zu ermitteln. Vor dem Hintergrund angedrohter Strafen bei unrichtigen Angaben (2000 € und mehr!), ist erhöhte Sorgfaltspflicht geboten. Wie aber, wenn eine Kontrolle nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand zu bewältigen ist! Textbeispiel siehe WoGG §17a.

 

Weiter hinten im Bericht des NKR II.1 Erfüllungsaufwand; unter Betreuung wird auch nicht auf die durch das geplante Gesetz folgende Erhöhung der Aufwandsvergütung für die Ehrenamtlichen eingegangen. Das Problem der eher „restriktiven“ Mitbetrachtung der Ehrenamtlichen war schon in der Studie der IGS zu erkennen.

 

Schlussfolgerungen:

  • Man darf mit der Korrektur der angenommenen Belastung der ehrenamtlich Betreuenden nicht bis zur Evaluation dieses Gesetzes warten. Die zeitlichen Aufwendungen der ehrenamtlich Betreuenden bedürfen umgehend einer eingehenden Nachbesserung.

  • Die Ehrenamtspauschale muss mindestens um den zu erwartenden zeitlichen Mehraufwand (nach Kontoeinrichtung mit den veränderten Geldflüssen auch Wohn- und Werkstattverträge, Bedarfsfeststellung, Einstufung/Fortschreibung in Hilfeplangruppen etc.) erhöht werden.

  • Die „Delegation“ der Beratung bzw. Fortbildung ehrenamtlich Betreuender darf nicht den Betreuungsvereinen allein aufgeladen werden.

  • Die Betreuungsbehörden sind zu stärken.

  • Die Annahme des BMVJ, (mit Betreuervereinen) erscheint vor dem Hintergrund, dass sich nach ca. 2 Jahren alle ehrenamtlich 104.000 Betreuenden dem Vorgehen angeschlossen haben, gewagt.

Hier Downloaden

 

Konstanz, den 26.01.2021

Karl Eichler Mitglied des BABdW

bottom of page