Angehörige / rechtliche Betreuer kognitiv Beeinträchtigter gehören gehört! xxxxxxxx
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Rudi Ratlos, seine Erlebnisse mit der Pflegestufe
Ein Geduldsspiel im Dschungel von Verwaltungen und Ärzten
Rudi, mi dem bezeichnenden Familiennamen Ratlos, grübelt über den Sinn des Lebens. In seinem Alter fängt alles Mögliche an zu zwicken. Besuche bei Ärzten, früher ein fremder Personenkreis, geben durch die langen Wartezeiten immer wieder Anlass zu grübeln. Seine Teilhabe am Leben ist nicht mehr das, was sie einmal war. Da wird er auf ein Gesetz aufmerksam.
Für die Erleichterung des Lebens von beeinträchtigten Menschen hat der Staat Gesetze geschaffen, unter anderen das BTHG.
„Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist ein umfassendes Gesetzespaket, das in vier zeitversetzten Reformstufen bis 2023 in Kraft tritt und das für Menschen mit Behinderungen viele Verbesserungen vorsieht. Mit dem BTHG wurden mehr Möglichkeiten der Teilhabe und mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen geschaffen. Menschen mit Behinderungen, die Eingliederungshilfe beziehen, können mehr von ihrem Einkommen und Vermögen behalten.“ Lässt das verantwortliche Ministerium im Internet verlauten.
Rudi Ratlos ist zunächst ratlos. Nach längerem Suchen und dann mühsamem Studieren der ca. 700 Seiten, findet Rudi im SGB IX, dem Neunten Sozialgesetzbuch, Hinweise auf Unterstützung bei der Bewältigung von Gebrechen, die ihm das Leben erleichtern können. Auf einen Hinweis hin, wendet er sich an seinen Arzt. Der verweist ihn an die Krankenkasse.
Der Hinweis auf die Krankenkasse war schon nicht schlecht. Hier wurde Rudi auf seine Telefonanfrage eröffnet, dass er sich an die Pflegeversicherung wenden möge. Er wurde dann auch gleich telefonisch weitergeleitet. Nach einer kurzen Schilderung seiner Erkrankungen und Beeinträchtigungen, wurde er aufgeklärt, dass zur näheren Beurteilung durch den Medizinischen Dienst (MD) ein Gutachten zu seiner Situation erstellt werde muss.
Nach ein paar Wochen meldete sich eine Mitarbeiterin des MD für einen Hausbesuch an. Rudi wurde aufgeregt. Hausbesuch? Was die wohl bei mir wollen? Muss alles Tipp Top sein? Dann kam der Tag. Die Dame erkundigte sich nach seinen Lebensumständen. Wie ist seine Wohnung gestaltet? Was kann er allein? Anziehen? Ausziehen? Körperreinigung? Aufs WC gehen? Essen kaufen? Selbständig Essen? Zubereiten, Kochen? Medikamente nehmen? Allein? Sich allein im Bett umdrehen? Wer unterstützt ihn? Und noch Vieles mehr. So muss er seine Ärzte aufzählen und von der Schweigepflicht entbinden. Rudi schwirrt der Kopf. Es folgte eine schlaflose Nacht.
Ihm ist irgendwie klar geworden, er bräuchte Unterstützung! Wenn auch widerwillig, reift die Erkenntnis in ihm heran. Die Dame vom MD hatte ihn mit ihren Bemerkungen schließlich in die Richtung gedrängt. Mit Rollator oder mit Gehhilfen auf die Straße? Kann sie das bestimmen? Fremde im Haus? Ins Altersheim gehen? Wie finanzieren? Seine Wohnung aufgeben? Das Gedankenkarussell dreht ihm fast den Verstand ab.
Die Frau früh verstorben, mit dem Sohn über Kreutz, muss er eine Lösung finden. Ein alter Kumpel aus dem Sportverein meint, er wird es schon schaffen. Erst müsste ja noch das Gutachten des MD vorliegen, bis eine Entscheidung zu fällen ist. Es tröstet ihn etwas.
Monate später, er hat zwischenzeitlich gelernt, sich mit vielen seiner Einschränkungen einzurichten. Selbst ist der Mann! Aber dann, ein neues Zipperlein erinnerte ihn, taucht plötzlich wieder die Frage auf, wo bleibt das Gutachten? Mehr als 4 Monate sind jetzt rum, und noch keine Reaktion. Seine Situation hat sich durch eine weitere Operation stark verändert. Informelle Gespräche mit Freunden und Bekannten haben sein Bewusstsein für die Annahme von Hilfe und Einfordern von Unterstützung langsam verändert.
Rudi wird aktiv. Zunächst bei der Pflegekasse, dann beim MD nachgefragt, bekommt er beim MD die Auskunft, dass die Krankenkasse 6 Monate Zeit für die Bearbeitung gegeben hätte – in Worten sechs Monate. Das sei so geregelt! Ganze 6 Monate, da versteht Rudi die Welt nicht mehr. Beim Auskunftsersuchen nach den Gründen für die lange Zeit, Aussage vom MD: „Die um Auskunft gebetenen Ärzte haben noch nicht alle geantwortet. Sie müssen sich weiter gedulden!“ Rudi ist erschüttert. Seine Gedanken lassen ihn wieder nachts nicht mehr schlafen.
Tatsächlich, nach 5 1/2 Monaten bekommt er von der Kasse seine Pflegestufe mitgeteilt. Das Gutachten des MD ist nicht beigefügt. Er fordert es umgehend an. Er will wissen, wie es zu der Einstufung gekommen ist. Nach einer weiteren Woche ist auch das geschafft.
Nun erstaunt es ihn, was aus dem ca. einstündigen Gespräch, welches jetzt fast 6 Monate zurückliegt, entstanden ist. Von vielen Punkten, bzw. damals gemachten Aussagen hat er eine ganz andere Erinnerung. Die Summe der vergebenen Punkte, die auch noch nach bestimmten Regeln einer Gewichtung unterliegen, steht für ihn fest: „So geht das nicht!“ Er erwägt einen Widerspruch. Aber allein der Gedanke, dass dann alles wieder von vorn beginnt, er sich jetzt zusätzlich zu seinen Therapien und Arztbesuchen auch noch um Rechtsfragen kümmern müsste, dreht sich ihm der Magen um.
Rudi Ratlos ist ratlos. Er hat den Eindruck gewonnen, dass alle gegen ihn sind; dass Krankenkasse, Pflegekasse, Politiker und teilweise auch Ärzte auf eine biologische Lösung hinarbeiten. Er hätte 4 Wochen für einen Widerspruch Zeit. Eine erneute umfassende Bewertung ist erst nach einer längeren Frist möglich.
Für sich kommt Rudi Ratlos zu den Erkenntnissen:
1. Das Gespräch mit dem MD fand nicht auf Augenhöhe statt.
2. Das Analyse- und Bewertungsmuster des Gutachtens hätte er vor dem Gespräch bekommen müssen.
3. Die Bearbeitungszeiten sind, gemessen an der sich rasch ändernden Gesundheit zu lang.
Was Rudi noch nicht weiß ist, was noch passiert oder passieren kann. Davon aber später.
Ein aufmerksamer Beobachter der Scene
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