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Ein Beirat für den Behindertenbeauftragten führt Wissen zusammen

Über eine Richtlinie der Stadt Konstanz ist der Beirat „legitimiert“.

 

Heute möchte ich Sie mit einem Mann etwas näher bekannt machen, der es in der Kommunalen Verwaltung seiner Heimatstadt geschafft hat, für seine ehrenamtliche Tätigkeit als Beauftragter der Stadt Konstanz für Menschen mit Behinderung, einen in der Kommunalverwaltung verankerten Beirat für seine Unterstützung zu etablieren. Der Beirat bildet das Spektrum der beeinträchtigten Menschen der Stadt Konstanz ab, orientiert an ihren Einrichtungen und Menschen mit Beeinträchtigungen.

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Stephan Grumbt ist 55 Jahre alt, verheiratet, hat früher Rugby gespielt und in der Konstanzer Fasnacht auf der Bühne für Spaß am Leben gesorgt. Heute arbeitet er als Logistiker im internationalen Warenverkehr. Eine Arbeit, die permanente Kreativität und spontanes Handeln erfordert. Er ist durch eine Krankheit an einen Rollstuhl gebunden, hat aber von seiner früheren sportlichen Karriere die Energie und humorvoller kultureller Dynamik nichts verloren.

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Herr Grumbt, Wie sind Sie zu dem Ehrenamt gekommen?

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Ich habe unter anderem das folgende Motto:

  • Was nützt Wissen; man muss es auch anwenden…

  • Was nützt Wollen; man muss es auch tun!

Mit der Bewerbung bei der Stadt Konstanz für diese Aufgabe im Jahre 2013 war es für mich nur die konsequente Fortführung meines „Neuen“ Lebensweges.

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Was treibt Sie heute um, was sind ihre aktuellen Themen?

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Mir ist es wichtig, dass Menschen mit Behinderung als gleichwertige Persönlichkeiten des gesellschaftlichen, beruflichen und sozialen Lebens in Konstanz verankert werden. Hierfür möchte ich als Beauftragter der Stadt Konstanz nicht nur Verwaltung und Politik beraten, sondern auch den örtlichen Unternehmen, insbesondere Handel und Gastronomie, als Ansprechpartner und Berater zu Verfügung stehen. Mein Ziel ist es, Sichtweisen auf Behinderung und Handicap zu modernisieren, und den Blick für pragmatische Lösungen zu öffnen. Barrierefreiheit ist ein Querschnittsthema für alle Lebensbereiche. Wichtiger denn je werden zum Beispiel die medizinische Versorgung und Pflege, die Lebenssituation von Kindern mit Behinderungen und deren Familien sowie der barrierefreie soziale Wohnungsbau. Und wie während Corona-Zeiten schmerzlich erfahren: der Zugang zu barrierefreien digitalen Angeboten. Menschen mit Behinderungen haben auch ein Recht auf volle Teilhabe an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens.

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Wozu haben Sie den Beirat geschaffen?

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Die Verknüpfung von Ehrenamt und Beruf gelingt mir persönlich nur, weil ich die Gelegenheit ergriffen habe „Fachleute“ aus allen Behinderungsbereichen zu motivieren Ihre Expertise einzubringen. In unserer Zeit ist es meines Erachtens wichtig, gerade ehrenamtliches Engagement der Öffentlichkeit wie ein Unternehmen mit seinen jeweiligen „Fachbereichen“ zu präsentieren:  Struktur | Zielsetzung | Leitbild | Transparenz | Kontrolle

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Eine Frage noch zur Richtlinie für den Behindertenbeauftragten und dessen Beirat. War es schwierig die um den Beirat ergänzte Richtlinie zu entwickeln und in Verwaltung und Gemeinderat zu verankern?

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Es war nicht besonders schwierig. Die Verwaltung hat mich in rechtlichen Dingen sehr gut unterstützt. Die Mitglieder, des seinerzeit noch nicht als offizielles Gremium etablierten Beirates, haben wichtige Ergänzungen eingebracht. Der zeitliche Rahmen wurde durch Corona, und besonders durch die im Sommer anstehende Wahl unseres Oberbürgermeisters, zeitlich verzögert. Orientierende Gespräche mit Mitgliedern des Gemeinderats haben letztlich zu einem einstimmigen Beschluss.

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Wie wird die Arbeit auf der Grundlage Richtlinie ihre Arbeit beeinflussen?

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Aufgrund der Zusammenstellung des Beirates, wo ausdrücklich die Möglichkeit besteht themenbezogen Personen zur Information/Entscheidungsfindung hinzuzuziehen, kann effizienter auf die unterschiedlichsten Anforderungen von Menschen mit Behinderungen agiert und reagiert werden. Zudem erlaubt die Richtlinie bei Bedarf Themen auch öffentlich zu besprechen.

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Welche künftigen Schwerpunkte sehen Sie in ihrer Arbeit?

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Die Covid19-Pandemie hat uns erschreckend vorgeführt, wie die soziale Isolation von Menschen mit Behinderungen mangels digitaler Infrastrukturen voranschreitet. Warum sind öffentliche Gebäude nicht schon längst barrierefrei, warum werden wichtige Texte und Meldungen nicht generell auch in „leichter Sprache“ verfasst, warum haben Betroffene keinen Anspruch auf barrierefreie Ausstattung des Wohnumfelds, wenn sie es benötigen? Wohnraum ohne Barrieren wird ohnehin zu einer der Kernherausforderungen aller Beteiligten. Dies ist nur ein Auszug der vielseitigen Aufgaben welche zur Verbesserung der Lebensumstände für Menschen mit Behinderung und Ihren Familien in Zukunft anstehen – Hierzu bedarf es effizienter Netzwerke und deren Verknüpfung sowie weiteren Abbaus der „Barrieren in den Köpfen“.

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Herzlichen Dank für das Gespräch. Viel Erfolg für die weitere Arbeit.

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Anmerkung des Interviewers: Die vollständige Richtlinie können Sie hier auf der Internetseite der Stadt Konstanz einsehen und runterladen. Spezielles zum Beirat ist unter §13ff zu finden.

Hier downloaden

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Interviewt durch Karl Eichler im November 2020

Mitglied des BABdW

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